Deflation
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Mit der Zinswende treiben uns die Notenbanken in die Deflation. Grund für die gegenwärtige Inflation ist der Zusammenbruch der globalen Lieferketten. Die Inflation kann sich also nicht dauerhaft halten. Umso fataler sind radikale Zinserhöhungen. Mit ihrer aggressiven Zinspolitik treiben uns die Notenbanken in eine Schulden- und Liquiditätskrise, welche Disinflation und Deflation zur Folge hat. Diese Zusammenhänge schildert der amerikanisch-australische Ökonom James „Jimmy“ Rickards in seinem neuesten Buch.

Rickards hat sich nicht gerade für einen suchmaschinenfreundlichen Titel entschieden. „Sold Out“ (dt. „Ausverkauft“) ist dennoch ein äußerst empfehlenswertes Buch für alle, die die globale Dauerwirtschaftskrise seit 2020 verstehen wollen.

Immer wieder ist in den Mainstream-Medien die Rede von einer galoppierenden „Inflation“, die mit geldpolitischen Maßnahmen bekämpft werden müsse. James Rickards stellt diese Ideen auf den Kopf.

Was macht uns so sicher, dass die Negativzinsen die gegenwärtige Inflation in Europa und Nordamerika angetrieben haben? Und warum ist Deflation ein durchaus realistisches Szenario für 2024?

Grund 1: Angebotsseitige Schocks treiben Preise hoch

In jüngster Vergangenheit gab es einige angebotsseitige Schocks, die die Preise von Produkten in die Höhe getrieben haben:

  1. Corona-Lockdowns und Grenzschliessungen haben von 2020 bis 2022 dazu geführt, dass internationale Lieferketten zusammenbrachen. Da die Covid-Pandemie ihren Ursprung in China hatte (einem Land, das immerhin einen Anteil von mehr als 18% am Welthandel ausmacht), kam der weltweite Handel rasch zum Erliegen. Der Schiffsverkehr in wichtigen Handelszentren wie Shenzhen und Dongguan kam grossteils zum Erliegen. Die monatelangen Blockaden der Seehäfen trieben in der Folge die Preise für internationale Handelswaren in die Höhe.
  2. Der Boykott russischer Rohstofflieferungen nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine trieb die Energiepreise massiv in die Höhe. Die deutsche Industrie leidet unter den Strompreiserhöhungen ganz besonders stark, da sie in vielen Bereichen auf Gaslieferungen aus Russland angewiesen war. Aber nicht nur die Industrie musste einen Preisschock verdauen. Transporte von Waren durch Russland und die Ukraine waren plötzlich blockiert und viele Lieferketten wurden unterbrochen. Ebenfalls verhinderte Russland die Ausfuhr von günstigem Getreide aus der Ukraine über den Seeweg, was den internationalen Handel ebenfalls verteuerte.
  3. Die Versuche, den Klimawandel mit Verboten aufzuhalten (wie das bspw. bei der „Energiewende“ im Deutschland der Fall ist), verteuern die Strompreise und führen zu höheren Produktionskosten in der Industrie. In vielen Ländern werden die Treibstoffpreise durch Umweltabgaben und andere indirekte Steuern erhöht. Dadurch werden LKW-Transporte teurer und es ist mit höheren Verbraucher*innenpreisen zu rechnen.
  4. Die Überalterung der Gesellschaft stellt die Logistikbranche vor weitere Herausforderungen. In den USA beträgt das Durchschnittsalter eines Lastwagenfahrers bzw. einer Lastwagenfahrerin 46 Jahre. In Deutschland beträgt dieses Alter bereits 47 Jahre. Die Branche hat infolgedessen Mühe, qualifizierten Nachwuchs zu finden. Die Lieferketten werden somit teurer, weil es in Europa und Nordamerika immer weniger Trucker gibt.

Die Liste an angebotsorientierten Schocks liesse sich noch mühelos erweitern und verlängern. Rickards selbst geht nur auf einige Beispiele ein. Seine These: die enorme Inflation ist das Resultat von zusammengebrochenen Lieferketten. Ein sichtbares Indiz dafür sind leere Supermarkt-Regale, die man in Grossbritannien, Deutschland, Australien und in vielen anderen Ländern der Welt gesehen hat.

Grund 2: Angebotsgetriebene Inflation ist nicht selbsterhaltend

Laut Rickards braucht es in der Regel 5-10 Jahre bis die Lieferketten wieder hergestellt sind. Zudem müssen sie in einen stabilen Zustand überführt werden. Die eingetretene Inflation ist nur ein vorübergehendes Phänomen, das mit dem Wiederaufbau der Lieferketten korreliert.

Die Inflation wird von den Produzent*innen angebotsseitig getrieben. Die Anbieter*innen müssen die gestiegenen Herstellungs- und Lieferkosten auf die Verbraucher*innen überwälzen, so lange die Lieferketten nicht funktioneren.

Diese angebotsgetriebene Inflation kann sich jedoch nicht selbst aufrecht erhalten. Denn wenn z. B. das Benzin teurer wird, verzichten Konsument*innen einfach auf unnötige Ausgaben wie z. B. den teuren Restaurantbesuch, den sie sich ansonsten gegönnt hätten. In der Folge sind die Umsätze in einzelnen Branchen rückläufig. Eine Rezession setzt ein. Die Geldmenge reduziert sich und die Inflation wird beendet.

Bei einer nachfragegetriebenen Inflation verhält es sich anders. Hier kaufen die Konsument*innen die teuren Produkte in übertriebenen Hamsterkäufen ein, weil sie fürchten, dass die Preise noch weiter steigen könnten. Durch diese Hamsterkäufe treiben sie aber die Preise weiter in die Höhe. In der Folge kaufen noch mehr Menschen die immer teurer werdenden Produkte und es kommt zu einem Teufelskreis, der die Preise in die Höhe schraubt. Dies passiert z. B. wenn die Löhne exzessiv steigen und die Konsumfreude zunimmt. Die Reallöhne sind in den USA aber gerade nicht gestiegen.

Grund 3: Zinswende verschlimmert Krise und führt zu Deflation

Rickards hält die „Zinswende“ für eine denkbar schlechte Idee, um die Inflation zu bekämpfen. Die Zinserhöhungen von Federal Reserve, EZB, Schweizerische Nationalbank etc. erhöhen die Gefahr eines „Overshoot“. Die hohen Zinsen entziehen dann dem Wirtschaftssystem zu viel Geld. Firmen und Staaten können ihre Kredite nicht mehr bedienen, weil die Zinsen so stark gestiegen sind. Es kommt zu Konkursen. Zusätzlich wird es immer schwieriger, bei Banken einen Kredit zu einem vernünftigen Zinssatz zu erhalten. Um weiterhin liquide zu bleiben und an neues Geld zu kommen, werden Firmen dazu gezwungen, ihre Preise massiv zu senken. Dies führt zunächst zu einer Disinflation und schliesslich zu einer Deflation.

Die Leidtragenden sind Industrien mit hohem Kapitalbedarf wie z. B. die Immobilien- und die Logistikbranche. Also genau jene Branchen, die für den Aufbau von Lieferketten eine herausragende Bedeutung haben. Das Resultat wird eine globale Wirtschaftskrise sein, die geprägt ist von abwechselnden deflationären und inflationären Phasen.

Kritischer Blick auf Notenbanken

In seinem Buch eröffnet Rickards einen neuen kritischen Blick auf die Geldpolitik der Notenbanken. Die Zinserhöhungen bieten seiner Meinung nach keinen Schutz vor Inflation. Stattdessen verschlimmern sie das der Inflation zu Grunde liegende Problem: die Destabilisierung der Lieferketten, die den globalen Handel überhaupt erst ermöglichen. Das Resultat: wirtschaftliche Dauerkrise und Deflation. Seine Darstellung hebt sich wohltuend von der Meinung ab, dass Inflation ein rein monetäres Phänomen sei, das die Notenbanken nach Belieben kontrollieren könnten. Die Preisentwicklung von Konsumgütern ist von vielen sozialen, ökonomischen und technologischen Faktoren abhängig – nicht zuletzt auch von den Herstellungsprozessen und Lieferketten, die Rickards in seinem Buch umfassend beschreibt.

Ökonomische Entwicklungen werden massgeblich von der Entwicklung der Lieferketten beeinflusst. Rickards fordert Ökonom*innen dazu auf, sich intensiver diesem Bereich der Wirtschaft zu widmen. Auch wenn das Buch stellenweise einige Längen aufweist, so bringt Rickards mit seiner Analyse der Lieferketten doch eine neue Betrachtungsweise mit ein. Für Menschen, die die gegenwärtige Inflation in Nordamerika und Europa verstehen wollen, sollte dieses Buch zur Pflichtlektüre werden.

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